Jäger und Sammler

 

Häufig fragt man sich oder wird gefragt: Warum laufe ich? Warum läufst du?

Die Antworten sind immer unterschiedlich.

Weil es Spaß macht.

Zum Entspannen und Abschalten.

Um mich auszupowern.

Zum Abnehmen.

Um mich mit anderen zu messen.

Es gibt vielerlei Antworten.

Bei mir ist es der Spaß an der Sache.

Entspannen, rennen, Natur.

Aber auch, mich ab und zu mit anderen zu messen, sehen, was ich kann (oder manchmal auch nicht 😉 )

Dieses Mal ist es etwas anders.

Es gibt materielle Anreize.

Eigentlich wollte ich mal so richtig flach und schnell laufen. Sehen, was derzeit geht.

Dann irgendwoher die Info: Dieses Jahr hättest du eine vage Chance beim Maare-Mosel-Lauf.

1. Platz ein Fernseher,

2. Platz ein Hotelgutschein.

Hmmpf. Aber nix flach, nix amtlich vermessen.

Ein innerer Kampf Ego (schnelle Zeit laufen) gegen den „Jäger und Sammler“-Trieb (auch Gier genannt).

Man weiß ja, welche Preise locken.

Die Urinstinkte siegen.

Unterstützt vom „Ratschlag“ eines Bekannten: „Was bekommst du an der Saarschleife? Einen Ring Lyoner?“ „Ja, so ähnlich.“ „ Dann sch### auf die Saarschleife, hol dir den Fernseher.“

Naja, ich würde es mir nachher bestimmt vorwerfen, es nicht versucht zu haben.

Eine schnelle offizielle Zeit geht später auch noch, die Chance beim Maare-Mosel-Lauf kommt vielleicht nie wieder.

Kaum getroffen, bereue ich die Entscheidung fast wieder. Oh ja.

So nervös war ich nämlich seit mindestens einem Jahr nicht mehr vor einem Lauf. Voll durch den Wind.

Warum nur tut man sich so etwas an? Echt bescheuert. Aber wenn es klappen würde, das wäre schon – „krass“ würde der Sohnemann wohl sagen.

Ortswechsel.

Wir befinden uns in Daun, am Start des Maare-Mosel-Laufs.

Viele bekannte Gesichter, viele unbekannte. Ein Wenig warmlaufen, dann (recht spät) im Startblock einreihen. (Irgendwie hatte ich das Gefühl, meine Vereinskameraden waren ziemlich nervös, weil ich mal wieder auf den letzten Drücker da bin. 😉  )

Und los geht es.

Manch eine(r) ist hier, um die Landschaft zu genießen. Mancher zum Rennen.

Beides gleichzeitig geht leider irgendwie nicht so gut.

Ich reihe mich hinter ein paar Frauen ein und warte ab. Bloß nichts überstürzen. Ich weiß weder, wie schnell ich heute rennen muss, noch wie schnell ich es auf der Strecke eigentlich kann.

Der erste Streckenabschnitt geht über Asphalt. Radweg. Leicht bergauf. Tempo etwas gebremst, aber passt schon.

Irgendwo geht es über dieses Viadukt, von dem in der Ausschreibung stand. Das habe ich letztes Jahr schon verpasst. So auch dieses Mal.

Wir sind nur noch zu zweit (abgesehen von einer Horde Männer, die hier zufällig auch entlang rennen 😉 ). Immer noch mit angezogener Handbremse. Was tun? Abwarten? Oder vorbei?

So gerne ich eigentlich noch gewartet hätte, das Tempo fühlt sich nach verschwendeter Zeit an. Also laufe ich vorbei und beobachte, was kommt.

Zuerst einmal der Tunnel. Herrlich kühl geht es wieder leicht bergab. Ideal, um das Tempo noch etwas anzuziehen.

Die Uhr bzw. das GPS spinnt mal wieder. Piepst viel zu früh. Der Tunnel hat ihm den Rest gegeben. Soviel zum Thema: Ich schalte vorher noch die Autolap-Funktion aus.

Die Frau ist nicht mitgelaufen. Mal sehen, wann sie nachzieht.

Bald geht es vom Radweg runter. Ein Wirtschaftsweg. Man sieht weiter vorne die Läuferschlange, die sich einen Anstieg hinaufwindet. Hier muss man auf den Untergrund achten. Es geht in den Wald und der Weg wird eben. Dann ein sehr kurzer aber knackiger Anstieg. In drei vier Sätzen hoch, weiter auf dem Wiesenweg.

Und dann endlich, endlich sind wir am Maar. Der Genussläufer hat hier einen weiten Ausblick über das Schalkenmehrener Maar. Gegenüber der Ort. Ich könnte jetzt noch etwas über schillerndes Wasser oder so schreiben, aber das habe ich leider nicht gesehen. Nur die Existenz des Wassers registriert.

Es geht am oberen Kraterrand entlang. Inzwischen laufe ich seit längerer Zeit relativ konstant in einer lockeren Gruppe mit. Die Positionen wechseln ab und zu, je nach Steigung.

In einer scharfen Linkskehre geht es dann senkrecht über eine Wiese zum Rand des Maars. (Fahrspuren sind zu erkennen, man könnte das Ganze also auch als Weg bezeichnen. 🙂 )

Jetzt ist wieder Asphalt dran. Relativ eben geht es am Wasser entlang und dann um das Trockenmaar.

Mein Blick geht allerdings jetzt doch in die andere Richtung. Da oben sind wir eben hergekommen. Wo ist die nächste Frau? Geschätzte 500m./also ca. 2 Minuten. Gut. Es sind ja nur noch (nur noch?) 10km. Tempo halten und hoffen.

Im Ort etwas hoch, dann eine Landstraße entlang. Unter einer Brücke durch. Links hoch, Verpflegungspunkt mit 180° Wendung. Und endlich über die Brücke, wieder auf den Radweg. Es läuft sich inzwischen noch immer erstaunlich gut.

Sagt das Gefühl.

(Die Uhr sagt: „Verdammt, du bist zu schnell, das geht nicht gut.“

Die Gier sagt:“ Ist egal, renn weiter, es gibt einen Fernseher.“)

Wieder Fahrradweg. Und dann kommt der gefürchtete Schlenker Richtung Mürmes. Den habe ich vom letzten Jahr als anspruchsvoll in Erinnerung. Runter vom Radweg, kurz eben und dann im Wald (schön versteckt, damit man es vorher nicht sieht und ganz ahnungslos daherkommt.) geht es hoch.

Immer schön locker bleiben. Bloß nicht nach der Pace gucken. Einer meiner Immer-wieder-Begleiter überholt von hinten mit dem Kommentar „Lady, du hast Pfeffer.“ So, habe ich das? Heute anscheinend schon, denn der Berg ist auch schon vorbei. Und die Bemerkung hat mich doch noch einmal mehr motiviert.

Da hört man auch schon die Trommeln. Aha. Der letzte „Berg“ naht. Danach geht es fast nur noch runter. Gut.

Leider wird hier der Weg wieder zum Wirtschaftsweg und ist mit ziemlich grobem Schotter befestigt. Gut für den Weg, um nicht von schweren Maschinen zerstört zu werden, schlecht für den Läufer, wenn man irgendwie möglichst schnell laufen will. Aber es ist wie es ist. Also den Boden sondieren und die beste möglichst gerade Strecke wählen.

Pünktlich zum Bergab befindet man sich unversehens wieder auf asphaltierter Strecke. Zumindest für kurze Zeit, denn Abwechslung muss ja sein.

Was ist es dieses Mal? Ein Wiesenweg. In der Mitte höheres Gras, zwei Fahrspuren mit niedrigerem Gras. Dafür schön geradeaus. Da kann man ja mal kurz, möglichst ohne zu stolpern, doch noch mal nach hinten schauen, die Kurve hoch? Ach, du…so ein Mist. Ein rotes Shirt. Ziemlich nah. Und noch 5km Strecke. Ob das gut geht?

Zum Glück macht der Weg wieder eine Wendung und führt in die entgegengesetzte Richtung. Also noch einmal durch die Bäume lunzen. Rotes Shirt? Ja, da. Ein Läufer. Männlich. Puh. Entwarnung.

Wie war das? Noch 5km? Und endlich wieder Radweg. Die Zeit? Nee, ist nicht wahr. Wenn ich noch richtig Gas gebe, kann ich unter 1:30? Hab ich mich da irgendwie verrechnet? Ist auch egal, rechnen geht nicht mehr so gut. Habe ich auch keine Lust zu. Das Tempo, so wie es ist fühlt sich o.k. an.

Letztes Jahr habe ich mich auf dieser Reststrecke ziemlich dahingeschleppt. Dieses Jahr ist noch Kraft da, noch Spannung.

Es geht, ich kann das Tempo bis ins Ziel retten.

Hinten raus nochmal richtig schneller werden geht nur manchmal. Heute nicht.

Macht das was? Eigentlich nicht.

1:30:09 steht auf der Uhr, als ich durchs Ziel laufe.

Ich hätte nie gedacht, dass diese Zeit möglich ist.

Mission geglückt, die Kinder werden sich freuen. 🙂

Und ich?

Ich auch. Sogar sehr.

Nur das Ego hadert ein wenig.

Hätte es nicht auch 10 Sekunden schneller sein können….

Nächstes Jahr ist dann mal gemütlich dran, um die Strecke zu würdigen. Ich habe leider viel zu wenig von der herrlichen Landschaft gesehen.

6 Kommentare Gib deinen ab

  1. Liebe Birthe,

    dass Du unter die Blogger gegangen bist, hatte ich noch gar nicht mitbekommen, obwohl Dein neues Synonym das vermuten ließ.

    So, so, jetzt wissen also alle, wie man Dich so richtig aus der Reserve locken kann. Mal sehen, wie schnell du sein wirst, wenn es um noch größere Preise geht 😉

    Danke fürs Mitnehmen. Die Strecke kenne ich wohl. Aber Deine Zeit ist schon bombig. Beim nächsten Mal läufst Du länger mit Marcel, dann klappt das mit der sub 1:30 bestimmt. Schade ist nur, dass Du von der Schönheit der Strecke nicht so viel mitbekommen hast. Aer dafür hast Du ja nun einen fetten Flatscreen 😉

    Liebe Grüße
    Rainer 😎

    1. Trailfrosch sagt:

      Ja, Marcel war richtig gut drauf. Dass ich da hätte mitlaufen sollen, habe ich mir nachher auch gesagt. Aber so klappt das mit der schnellen Regeneration besser. 🙂
      Nächstes Jahr gibt es dann einen gemütlichen langen Lauf, wenn nichts anderes anliegt.
      Die Gegend kenne ich eigentlich gut, wir waren schon ein paar Male dort zum Wandern bzw. spazieren.
      LG
      Birthe

  2. regenfrau sagt:

    Hallo Birthe,
    also wenn du das schreibst, klingt das sehr leicht und locker??!! Am besten gefallen mir deine inneren Dialoge zwischen Uhr und Gier 😀 – gratuliere zu der super Zeit!
    Lieben Gruß, Doris

    1. Trailfrosch sagt:

      Danke, liebe Doris.
      Im Nachhinein klingt ist das immer locker und leicht. 😉
      So komplett am Anschlag bis zur K-Grenze war ich nicht, das habe ich mich nicht getraut aus Angst, dass es danebe geht. (Oder ich bin noch im „schon-dich-es-ist-noch-weit-Modus“ von den langen Strecken.*grübel*)
      Und die Gedanken, die man zwischendurch so hat sind immer wieder interessant…

      LG
      Birthe

  3. Weinbergschnecke sagt:

    Man soll nie auf die Uhr hören, die Gier ist ein viel besserer Ratgeber und treibt notfalls auch zu nicht für möglich gehaltenen Höchstleistungen an! 😆

    Erstaunlich, wie viel du bei dem Tempo unterwegs noch so mitbekommen hast von Strecke, Konkurrenz etc. Aber du hast recht, es gibt noch viel mehr zu sehen und zu bestaunen, wenn man a) langsamer ist (freiwillig oder mangels anderer Möglichkeiten 😉 ) und b) mit der Kamera „im Anschlag“ läuft.

    Also nächstes Jahr schön gemütlich auf dem Radweg hin und auf der offiziellen WK-Strecke zurück. Dass sind irgendwas um die 32, 33 km – Rainer und Marcel im vergangenen und Michael Zender in diesem Jahr haben es vorgemacht. Beeilen musst du dich auf dem Rückweg ja nicht … es sei denn, eines deiner Familienmitglieder erhebt Anspruch auf einen zweiten Fernseher! 😆

    Liebe Grüße, genieß deinen Erfolg!
    Anne

    1. trailfrosch sagt:

      Liebe Anne,
      Ja, den langen Lauf (hin und zurück) hatte ich vorher auch schon in Erwägung gezogen. Das wird auf nächstes Jahr vertagt. Es sei denn der Panoramalauf rund um die Burg Aare findet wieder parallel statt. (Würde ja einen Link reinsetzen, aber dann behauptet der Rechner wieder, ich hätte noch nichts geschrieben. Komisches Teil.)
      LG
      Birthe

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